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Woche im Blick, Ausgabe Nord
02.10.2018 www.flz.de/digitale-ausgaben/wib-nord.html
Vorstand Nawratil muss gehen
Verwaltungsrat zog Konsequenzen aus Sonderprüfung
Mit Spannung wurde der Bericht der Sonderprüfer vor zwei Wochen im Bezirkstag erwartet. Die Liste an Vorwürfen gegen den Vorstand der Bezirksklinken, Helmut Nawratil, ist lang: Ominöse Auftragsvergaben, vermeidbare Kostensteigerung, persönliche Vorteilsnahme, Untreue, Vernichtung von Unterlagen und Falschaussagen vor dem Verwaltungsrat. Nach Bekanntwerden wurden von fast allen Seiten Konsequenzen gefordert. Am Dienstag tagte deshalb der Verwaltungsrat nichtöffentlich und entschied, dass Helmut Nawratil gehen muss.
Zwar habe der Verwaltungsrat in seiner zehnstündigen Sitzung darüber diskutiert, ob Strafanzeige gegen den Klinikvorstand gestellt werden soll. Beschlossen wurde aber am Dienstag nichts, wie Wolf Dieter Enser, Pressesprecher und stellvertretender Direktor der Bezirksverwaltung, auf Nachfrage mitteilte. Die Staatsanwaltschaft am Landgericht Nürnberg-Fürth habe aber zwischenzeitlich Ermittlungen eingeleitet und den Sonderbericht angefordert, heißt es von Seiten der Bezirkskliniken. Nawratil selbst wurde mit sofortiger Wirkung freigestellt. Nun sollen die Voraussetzungen geschaffen werden, um das Dienstverhältnis mit ihm zum nächstmöglichen Zeitpunkt zu beenden.
Linken-Bezirksrat Uwe Schildbach machte wenige Tage vor der Sitzung Nägel mit Köpfen: Er hat die Aufnahme der Ermittlungen gegen Helmut Nawratil und gegen unbekannt bei der Staatsanwaltschaft gefordert. Eine Kopie des Schreibens liegt der WiB-Redaktion vor. Als Skandal mit offenem Ende beschreibt Schildbach die derzeitigen Verhältnisse in der Führungsebene der Bezirkskliniken Mittelfranken. Nach dem Bekanntwerden der „verheerenden Missstände“, die im Zuge der von Schildbach beantragten Sonderprüfung zutage gekommen sind, müsse man nun die Frage stellen, wer die Verantwortung für die Krise trage. Dabei würde es nicht reichen, den Vorstand der Bezirkskliniken, Helmut Nawratil, zu schassen. Interessanter sei, wer von der Führungsebene der Bezirkskliniken Mittelfranken von den Vorgängen um den Vorstand wusste, so Schildbach. Licht ins Dunkel der Geschäftspraktiken von Helmut Nawratil sollten externe Sonderprüfer zweier Anwaltskanzleien bringen. Die hätten selbst massive Behinderungen ihrer Arbeit beklagt, wie es in einem Bericht der Süddeutschen Zeitung heißt.
Bei Neubauprojekten der Bezirkskliniken in Fürth, Erlangen und Ansbach stellen die Prüfer planerischen und kalkulatorischen Pfusch fest. Bei allen Projekten sollen Dokumente fehlen, auch die über die Auftragsvergaben. Genehmigungen wurden zum Teil nicht oder erst viel später eingeholt. In Ansbach sei mit dem Bau eines ITGebäudes einfach begonnen worden, ohne dass ein freigegebener Entwurf oder eine Baugenehmigung vorlag. Wiederholt sollen Aufträge an dieselbe Firma vergeben und Mitarbeitern ungerechtfertigt gekündigt worden sein. Von Klinikvorstand Nawratil selbst gibt es zu den Vorwürfen keine Stellungnahme. Er ist seit Wochen krankgeschrieben.
Umgehende Konsequenzen aus den Sonderprüfungen forderten auch die Landtagsgrünen. Die Ergebnisse seien eine „krachende Ohrfeige“ für den Klinikvorstand und das Innenministerium, kommentiert die mittelfränkische Abgeordnete Verena Osgyan den Bericht, „der ein eklatantes Fehlverhalten des Klinikvorstands in zahlreichen Fällen bestätigt“. Als besonders pikant beschreibt die Politikerin den Aspekt, dass Bezirkstagspräsident und Verwaltungsratsvorsitzender Richard Bartsch vorgibt, nicht über das Ausmaß der Vorgänge Bescheid gewusst zu haben. Ein Großteil der Vorwürfe würden dem Innenministerium schon seit vergangenem Jahr schriftlich vorliegen, erklärt Osgyan. Auch Uwe Schildbach übt an Bartsch Kritik. Er, die CSU und die Mehrheit im Verwaltungsrat hätten sich teilweise mitschuldig an den Vorkommnissen um Nawratil gemacht, indemsie dem Klinikvorstand „bis zur letzten Minute die Stange gehalten“ hätten. Als „großen Fehler“ des Verwaltungsrats bezeichnet Schildbach die Entlastung Nawratils für seinen Geschäftsbericht 2017. „Wenn also Nawratil gekündigt wird, müssen auch Bartsch und Co ihren Hut nehmen“, fordert der Bezirksrat.
Als „wahlkampfbedingten Salto rückwärts“ werten die Freien Wähler (FW) die neue Haltung der CSU-Fraktion im Bezirkstag. Damit würden sie ihrem eigenen Bezirkstagspräsidenten Bartsch Unfähigkeit attestieren, heißt es in einer Pressemeldung. „Der Bezirkstag muss dringend effektive Maßnahmen beraten, damit er seiner Aufsichtspflicht gerecht werden kann“, fordert Bezirksrat Walter Schnell (FW). Sein Amt ruhen lassen, bis die Klinikaffäre aufgeklärt ist – so wie es SPD und Grüne in den Nürnberger Nachrichten fordern – wird Richard Bartsch nicht. Das teilte Wolf Dieter Enser unserer Redaktion mit. Auch werde er bei der Bezirkstagswahl im Oktober wieder antreten.
Die Bezirkskliniken Mittelfranken werden nun bis auf Weiteres von den stellvertretenden Vorständen Matthias Keilen und Kai Schadow geleitet. Die weiteren Fraktionsanträge über Konsequenzen aus der Sonderprüfung und mögliche Umstrukturierungen im Kommunalunternehmen sollen in der nächsten Sitzung am 5. Oktober behandelt werden.
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